Newsletter: Hafenkrise in Südchina

In jüngster Zeit gab es einen Anstieg der Covid 19-Fälle in Shenzhen, die sich auf die Häfen Yantian und Shekou auswirken, sowie im benachbarten Guangzhou und dem Hafen von Nansha.

Nachstehend auch ein aktueller Bericht aus der DVZ :

Die Suezkanal-Krise ist noch überhaupt nicht richtig verdaut, da zeichnet sich schon wieder eine massive Störung der maritimen Lieferketten ab. Steigende Fallzahlen rund um die südchinesische Metropole Shenzhen führen zu starken Abfertigungsengpässen in den Häfen Yantian und Shekou sowie in Nansha (im benachbarten Guangzhou). Maersk spricht von bis zu 14 Tagen Verzögerungen. Anlieferstopps und -beschränkungen für Exportladung sowie gestrichene Schiffsanläufe sind an der Tagesordnung. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Welle die Häfen in Nordeuropa erreicht. Die deutschen Seehafenspediteure sind folglich bereits alarmiert.

Bezogen auf die Situation in China sagte Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, am Donnerstagmorgen bei der Jahrespressekonferenz des Verbands:  „Wir sehen das mit Sorge.“ Zwar habe man noch keine Daten erhalten, dass es hakt. Aber sollte sich das Problem weiter entwickeln, könnte es auch wieder einen Rückschritt bei den Lieferketten geben.

Lars Jensen, CEO und Partner des Beratungsunternehmens Vespucci Maritime, befürchtet eine weitere Eskalation der Lage. Er schätzt, dass die Auswirkungen jene der Suez-Krise noch übertreffen werden. Seinen Angaben zufolge verweist Maersk bereits auf 64 Schiffe der 2M-Allianz, welche die Häfen von Yantian und Shekou umfahren müssen. One verweise auf 52 Schiffe von THE Alliance. OOCL führe 26 Einheiten an, CMA CGM 11, die betroffen seien.

Die Verspätungen von Schiffen im Yantian-Hafen, einem Tiefwasserhafen in Shenzhen, haben sich nach Angaben von Project44 in der vergangenen Woche verschlimmert. Der Supply-Chain-Plattformanbieter aus den USA erwartet auf Basis seiner Daten zur Container-Verweildauer, dass der Hafen den ganzen Monat über überlastet bleibt. Demnach schwanken die Verweilzeiten in Yantian stark. So liege das Minimum bei einem Tag. Den Median, also derjenige Messwert, der genau in der Mitte aller einzelnen Daten liegt, gibt Project44 mit fast 18 Tagen an für Container, die auf ihre Verladung warten (Stand 7. Juni).

Die Behörden in Guangzhou, der Industriestadt nordwestlich von Shenzhen, haben ebenfalls Einschränkungen der Geschäftstätigkeit verhängt. „Der Nansha-Hafen wird die Auswirkungen dieser Beschränkungen ebenfalls zu spüren bekommen, was die Stau-Problematik in Yantian weiter verschärft“, teilt Project44 weiter mit. Mit Stand vom 7. Juni nähern sich den Experten zufolge 47 Schiffe dem Hafen Yantian. Der Analyse zufolge sind bereits ein Drittel der Schiffe verspätet.

„Der jüngste Anstieg der Covid-19-Fälle in China hat zu einem Stillstand geführt, der die ohnehin schon rekordverdächtigen Kosten für die Verschiffung von Waren aus China noch weiter in die Höhe treiben könnte“, sagt Josh Brazil, verantwortlich für Marketing bei Project44. Im vergangenen Jahr sind dem Unternehmen zufolge die Frachtkosten zwischen China und der US-Westküste um 156 Prozent gestiegen, während das Fahrtgebiet zwischen China und der US-Ostküste einen Anstieg von 162 Prozent verzeichnete. Am stärksten stiegen die Frachtpreise zwischen China und Nordeuropa, und zwar um 535 Prozent.

Angespannte Situation verschärft sich

Die Entwicklung besorgt den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in Eschborn. „Die Pandemie ist noch nicht besiegt und wir werden noch eine längerer Zeit mit Corona leben müssen“, sagt Carsten Knauer, Leiter Logistik/SCM beim BME. Weitere Verzögerungen oder Ausfälle in den Lieferketten beeinträchtigten die ohnehin angespannte Situation auf den Transportmärkten weiter. „Kurzfristig ist es kaum möglich, Ausweichrouten für Transporte aus China zu bekommen. Lkw, Schiene oder Luftfracht sind bereits ausgelastet“, so Knauer weiter. Der BME rät weiterhin, mittel- und langfristig Lieferanten in zusätzlichen Märkten und Regionen aufzubauen und so das Risiko eines Ausfalles oder von Verzögerungen zu diversifizieren.

Die Behinderung wird im Juni zusätzliche Leerfahrten von Yantian nach Hongkong und an die US-Westküste bedeuten, wie Project44 prognostiziert. Die Containerkapazität des Hafens könnte sich um etwa 50 Prozent verringern, und es könnte zu Einschränkungen bei den Reedereien kommen, die hochwertige Schiffscontainer freigeben dürfen. Für die Handelsrouten zwischen Asien und Europa haben die Reedereien angekündigt, die Häfen im Norden wie Tianjin und Quindao nicht mehr anzulaufen, und begründen dies mit Überlastungsproblemen.

Schwierige Planung für Importeure

Nathan Resnick, CEO der US-amerikanischen B2B-Beschaffungsplattform Sourcify, sagte gegenüber dem Wirtschaftssender CNBC, dass die Lieferketten durch die plötzlichen und starken Einschränkungen stark beeinträchtigt wurden. Er fügte hinzu, dass die Situation die Vorausplanung für Unternehmen in den kommenden Quartalen schwierig machen würde. „Besonders mit der bevorstehenden Urlaubssaison versuchen viele große Importeure, ihre Lieferkette für Q3 und Q4 zu planen.“ Auf die Frage, welche Branchen wohl am stärksten betroffen sein werden, antwortete er: „Im Moment sind es in Guangzhou und Guangdong vor allem Haushaltswaren, Schuhe, Unterhaltungselektronik und viele andere Arten von Produkten.“ Und weiter: „Diese Verzögerungen in den Häfen werden zu einem weiteren Anstieg der Frachtraten führen und das ist etwas, was wir das ganze Jahr über kontinuierlich sehen.“

Bereits die Schiffsbewegungsdaten bis Ende Mai deuten auf ein leichtes Minus bei den Importen und Exporten Chinas gegenüber dem Vormonat hin. So zeigt der Kiel Trade Indicator des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) jeweils ein negatives Vorzeichen bei den Ausfuhren (minus 1,7 Prozent) und den Einfuhren (minus 1,0 Prozent) an. Darüber hinaus lasse sich noch keine Aussage treffen, wie Vincent Stamer, der Leiter des Frühindikators für den weltweiten Handel, auf Anfrage mitteilt. Er verweist auf das nächste Update der Zahlen am 22. Juni. (sr/cs/rok)

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